Lynk & Co – Alternative zur Automarke

Lynk & Co – Alternative zur Automarke

„Ich sehe diesen Job auch als eine Revolution gegen meine Vergangenheit“

Wir sprachen mit Alain Visser, CEO von Lynk & Co.

DIE AUTOSEITEN: Herr Visser, wer ist Lynk & Co? Lynk & Co als Name ist ja etwas ungewöhnlich …

Alain Visser: Ja genau. Wir haben ganz bewusst einen ungewöhnlichen Namen gewählt, der sich überhaupt nicht anhört wie eine Automarke. Das war auch das bewusste Ziel, dass die Leute am Anfang sagen: Was ist das denn? Und weil wir uns eigentlich auch ein bisschen profilieren und als eine Marke sehen, würde ich sagen, als Alternative zu einer Automarke. Sie wissen, ich war bei Opel, Ford und Volvo. Ich sehe diesen Job als eine Revolution gegen meine Vergangenheit auch.

DIE AUTOSEITEN: Was war denn Ihre Motivation, jetzt Lynk & Co in den Automarkt zu führen, der bekanntlich nicht ganz ist?

Alain Visser: Es gab eigentlich zwei Gründe. Erstens ist, ich bin jetzt 36 Jahre in der Autobranche. Und auch wenn ich jeden Tag davon geliebt habe und das sehr mag, finde ich es erstaunlich, dass eigentlich nichts passiert. Das Auto wird besser, aber die Industrie macht genau das gleiche wie vor fünfzig Jahren. Wir bauen Autos, schicken die zu Händlern, Händler verkaufen sie und reparieren sie. Als Geschäftsmodell hat sich eigentlich wenig getan. Also erstens habe ich gedacht, warum nicht mal etwas komplett anders zu tun, weil die Kundenwünsche sind komplett anders wie vor zehn Jahren. Und wir tun eigentlich noch das gleiche wie vor fünfzig Jahren. Und der zweite Grund ist die Nachhaltigkeitsbegründung. Ich finde es, wenn ich ehrlich sein darf, scheinheilig, dass auf einmal die ganze Autoindustrie sagt, wir sind nachhaltig, weil wir alle elektrisch angetriebene Autos verkaufen. Und wenn wir ehrlich sind, wir verkaufen elektrische Autos, weil Elon Musk uns gezeigt hat, wie man es tun muss. Und sonst wären wir noch immer mit konventionellen Motoren unterwegs. Und wenn ein Geschäftsmodell darin besteht, ein Produkt zu verkaufen, das nur von fünf Prozent benutzt wird, dann glaube ich nicht, dass man das nachhaltig kann, auch wenn es elektrisch ist.

DIE AUTOSEITEN: Wo ist die Heimat der Marke?

Alain Visser: In Schweden, das Hauptquartier ist in Göteborg. Und da wurde auch das ganze Konzept ausgearbeitet, hier wurde auch das Auto entwickelt, das Design und die Technik.

„Die Technik wurde komplett in Schweden zusammengestellt, im Engineering Center in Zusammenarbeit mit Geely und Volvo.“

DIE AUTOSEITEN: Woher kommt die Technik Ihres Plug-in-Hybriden?

Alain Visser: Die Technik wurde komplett in Schweden zusammengestellt, im Engineering Center in Zusammenarbeit mit Geely und Volvo. Und wie Sie wahrscheinlich wissen ist unser Auto der gleiche Baukasten wie der XC40 und Polestar 2. Unser Auto ist natürlich ein komplett anderes Auto, aber die gleiche Technologie. Dennoch hat eine ähnliche Technologie wie der Volvo XC40. Und die Service-Dienstleistungen unseres ganzen Netzwerks werden auch von den Volvo Händlern übernommen.

DIE AUTOSEITEN: Wenn ich das Auto haben möchte, wie kann ich das Auto kaufen? Oder kann ich es nicht kaufen?

Alain Visser: Ja, Sie können es kaufen, wobei wir natürlich damit gerechnet und auch gehofft haben, dass die meisten Kunden unser Abo Konzept benutzen. Ehrlich gesagt mag ich den Namen Abo nicht, weil das in Deutschland jetzt der neue Name von Leasing ist. Für uns ist es wirklich Abo. Es ist nur ein Monat, nicht wie  andere Hersteller, die eigentlich Leasing in Abo umbenannt haben. Also bei uns ist es genau wie Netflix ein Monat. Sie können das jetzt im Club tun, wobei 99 Prozent von unseren Erträgen bis jetzt einfach online auf unserer Webseite gemacht wurden. Es ist super einfach, weil, wie Sie wahrscheinlich wissen, wir haben ein Auto in zwei Farben. Also der Prozess ist sehr einfach. Schwarz oder blau – und dann können Sie kaufen oder abonnieren.

DIE AUTOSEITEN: Wird es denn in Zukunft ein größere Bandbreite an Modellen geben, auch an Flexibilität das Auto individuell auszustatten? Oder ist das Teil Ihres Konzeptes, dies gerade nicht zu tun?

Alain Visser: Es ist Teil des Konzepts dies nicht zu tun. Wir mögen es, nur zwei Farben zu haben. Ich glaube, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich wahrscheinlich nur eine Farbe wählen. Und ich glaube, vielleicht gibt es ein zweites Auto, aber wahrscheinlich nie mehr als drei. Und das nächste Auto wird bestimmt voll elektrisch sein. Der Grund, warum wir das jetzt nicht getan haben, ist, weil wir der Meinung sind, dass die Ladeinfrastruktur in Europa noch nicht ausreicht.

„In den letzten zwei Jahren ist die Beschleunigung der Elektrofahrzeuge größer als die Beschleunigung der Ladestationen.“
Alain Visser, CEO von Lynk & Co

DIE AUTOSEITEN: Ja, das ist der Schlüssel zur Elektromobilität, dass die Ladeinfrastruktur eine gewisse Stabilität hat. Wie kritisch sehen Sie die Ladeinfrastruktur gerade in Deutschland oder auch europaweit?

Alain Visser: Ich würde sagen, europaweit ist sehr kritisch. Gemäß den Zahlen, die ich jetzt vor einigen Wochen gesehen habe, ist in den letzten zwei Jahren die Beschleunigung der Elektrofahrzeuge größer als die Beschleunigung der Ladestationen. Das heißt, das Problem ist sogar noch größer geworden. Ich glaube, in manchen Ländern sieht es besser aus als in anderen. Deutschland, muss ich zugeben, gehört eigentlich eher zu den besseren Ländern wie Niederlande. Aber es gibt in Europa meiner Meinung nach nur ein Land, das fertig ist, und das ist Norwegen.

DIE AUTOSEITEN: Lynk & Co ist jetzt ein Jahr auf dem Markt. Wie erfolgreich ist oder war das Jahr und wie ist Ihre Zielsetzung des Erfolgs? Oder anders gesprochen wie definieren Sie für die Marke Erfolg?

Alain Visser: Für uns ist Erfolg, wie viele Mitglieder haben wir. Wie viele Leute sind an Bord für Lynk & Co? Haben das Auto alle gekauft oder abonniert? Oder benutzen das Auto zum Teilen, mit Sharing? Und wir hatten eigentlich als Ziel im vergangenen Jahr 9.000 Mitglieder zu haben. Wir haben das Jahr beendet mit 90.000. Also extrem viel mehr als wir gehofft haben. Wir sind jetzt knapp über 120.000 Mitgliedern. Wir haben jetzt etwa 16.000 Autos ausgeliefert. Also der Erfolg ist deutlich über unseren Erwartungen trotz der Tatsache, wie Sie wahrscheinlich bemerkt haben, dass wir eigentlich kaum Marketing betrieben haben. Die Bekanntheit der Marke beispielsweise in Deutschland ist fünf Prozent. Das heißt, 95 Prozent der Deutschen haben noch nie den Namen Lynk & Co gehört. Und nichtsdestotrotz haben wir etwa 20.000 Mitglieder in Deutschland, was für uns schon sehr überraschend ist. Also wir sind sehr zufrieden.

DIE AUTOSEITEN: Werden Sie noch weiter wachsen in Ihrem Konzept der Clubs? Dort wo Sie das Modell auch zeigen und die Community zusammenkommt?

Lynk & Co Munich Club, München

Alain Visser: Wir sehen die Clubs überhaupt nicht als ein Netzwerk wie Händler. Also es gibt nur wenige. Wir glauben auch an das Konzept, wenn das so ein bisschen eine – wie soll ich sagen – eine Rarität ist, damit es auch attraktiv ist ein bisschen wie Apple. Man findet Apple Stores ja auch nicht überall. Wir haben inzwischen in Deutschland schon drei und werden bald den vierten Club in Düsseldorf eröffnen. Aber wir haben derzeit in Europa acht Clubs, und sehen hier zwischen 20 und 25 als das Ziel, das wir bis Ende 2023 erreicht haben wollen.

„Meiner Meinung nach ist die Elektrifizierung wichtig, aber nicht extrem wichtig.“

DIE AUTOSEITEN: Herr Visser, abschließende Frage: Mobilität. Wie definieren Sie Mobilität und welche Rolle wird in Zukunft das Auto spielen?

Alain Visser: Gute Frage. Also meiner Meinung nach ist die Elektrifizierung wichtig, aber nicht extrem wichtig. Es ist ja nur ein anderes Gerät unter der Haube. Ich glaube, autonomes Fahren wird die große Veränderung sein. Ich glaube, Mobilität in der Zukunft, also um es einfach auszudrücken, ich sage immer, die Autoindustrie sollte sich entscheiden, will sie Lufthansa oder Boeing sein? Zu meiner Überraschung haben sie alle entschieden, sie wollen Boeing sein, was ich nicht sehr intelligent finde. Weil man fliegt nicht nach München mit Boeing, sondern mit Lufthansa. Und in der Stadt fährt man mit Uber. Also ich glaube, dass die Zukunft der Mobilität eine Dienstleistung sein wird und nicht ein Produkt. Und wenn die Autoindustrie nicht aufpasst, wird sie ein Zulieferer sein von Dienstleistungsanbieter. Wir möchten uns in der Zukunft gerne selbst als ein Dienstleisteranbieter als ein Produkthersteller sehen.