Plan B wie „Briatore“

Plan B wie „Briatore“

Alpine erlebt die Höhen und Tiefen der Formel 1  

Alpine ist eines jener Teams in der Formel 1, das dem Anspruch seiner Besitzer hinterherfährt. Dabei verbirgt sich hinter Alpine eines der traditionsreichsten Teams der Formel1: Seine Wurzeln sind das frühere Benetton-Team, mit dem Michael Schumacher 1994 und 1995 F1-Weltmeister wurde. 2005 und 2006 wiederholte das Team als Renault-Werksteam dieses Kunststück mit zwei weiteren WM-Titeln für Fernando Alonso.

Flavio Briatore und Michael Schumacher

Sowohl in den Schumacher- als auch in den Alonso-Jahren zeichnete sich der Italiener Flavio Briatore als Teamchef für den Erfolg verantwortlich. Nach den Alonso-WM-Titeln geriet das im englischen Enstone ansässige Team in weniger erfolgreiche Fahrwasser: Briatore wurde entlassen, weil er 2008 seinen Fahrer Piquet Junior in Singapur angewiesen hatte, einen Unfall zu bauen um durch Safety Car Phase seinem Teamkollegen Alonso zum Sieg zu verhelfen. Als die Manipulation aufflog verkaufte Renault das Team, kehrte nach einigen Jahren aber wieder zurück.

Flavio Briatore und Fernando Alsono

Seit 2021 geht das Team mit der großen Vergangenheit als „Alpine F1“ an den Start, so hatte Renault CEO Luca de Meo entschieden, Alpine als High-Performance-Sportmarke in der Renault Group neu zu etablieren. Aber bis auf einen Zufalls-Sieg 2021 in Ungarn mit Esteban Ocon sind die Leistungen des Teams eher bescheiden geblieben. Die größte Pleite war 2022 das Vertrags-Wirrwarr um Nachwuchs-Juwel Oscar Piastri, dem Alpine die Ausbildung bezahlte, der aber keinen wasserdichten Vertrag hatte und deshalb zu McLaren wechseln konnte, wo er seither zu einem der neuen Super-Stars der Formel 1 avancierte.

Renault CEO Luca de Meo (re.) mit Flavio Briatore

In der Folge rollten im Management von Alpine F1 die Köpfe: Teamchef Otmar Szafnauer musste gehen, auch sein Nachfolger Famin war keine Dauerlösung, denn er hatte keine Erfahrung in der Formel 1. Deshalb kontaktierte Renault CEO Luca de Meo im Sommer 2024 den mittlerweile 74-jährigen Flavio Briatore als Berater. In der Formel 1 wurde die Personalie mit Verwunderung registriert, denn Briatore galt seit dem Singapur-Skandal als angezählt. Aber Briatore hat innerhalb weniger Wochen die Stärken und Schwächen von Alpine, dessen Räumlichkeiten er seit Anfang der 90er Jahre kennt, analysiert. Das erste, was ihm beim Besuch in Enstone auffiel: „Hier stehen viel weniger Trophäen als früher!“ Relativ schnell wurde klar, dass Renault für die ab 2026 geltende neue Motoren-Formel zwar einen Motor entwickelte, aber niemand so richtig vom Erfolg dieses Projekts überzeugt war. Aus Kostengründen entschied Briatore deshalb, das Motoren-Projekt einzustellen und ab 2026 stattdessen Mercedes-AMG Motoren einzusetzen. Eigentlich ein No-Go für einen französischen Automobilhersteller! Doch an dieser Stelle echter Pragmatismus, für den Flavio Briatore schon immer bekannt war.

Alpine F1-Fahrer Pierre Gasly

Das gleiche passierte mit den Fahrern: Esteban Ocons Vertrag wurde nicht verlängert; Pierre Gasly durfte bleiben. Der zweite Fahrer allerdings wurde zum Politikum: Jack Doohan stammte aus der Alpine-Nachwuchs-Academy und Alpine hatte ihn ähnlich sorgfältig ausgebildet wie zuvor Oscar Piastri. Das einzige Problem: Briatore war nicht von Doohan überzeugt. Also kontaktierte er im Sommer 2024 Carlos Sainz, um ihn für 2025 zu verpflichten. Als dies nicht klappte, wurde Jack Doohan bestätigt und schon beim Saisonfinale 2024 in Abu Dhabi in den Alpine F1 von Ocon gesetzt. Bei seinem Debüt hat Doohan nicht gerade überzeugt, aber sein Vertrag für 2025 stand.

Doch Flavio Briatore, dem Mann, der 1991 Michael Schumacher entdeckte und 2001 Fernando Alonso, war Ende 2024 der Argentinier Franco Colapinto aufgefallen, der ab Monza bei Williams fuhr und für Furore sorgte. Colapinto bringt nicht nur ein außergewöhnliches Talent mit, ihm gelang das gleiche, das Schumacher in Deutschland und Alonso in Spanien geschafft hatten: er entfachte in kürzester Zeit in Argentinien eine unglaubliche Formel 1 Euphorie. Argentinische Sponsoren stürmten in die Formel 1 und bei den letzten Rennen der Saison 2024 tauchten immer mehr argentinische Fans an den Rennstrecken auf.

Briatore einigte sich mit den Williams-Verantwortlichen (die Colapinto für 2025 kein Cockpit anbieten konnten) und kaufte den 21-jährigen Argentinier aus seinem langfristigen Vertrag heraus. Nun ist Colapinto Ersatzfahrer bei Alpine und eine der meistgestellten Fragen seit Saisonbeginn 2025 lautet: ab welchem Rennen sitzt Colapinto in Jack Doohans Wagen? Der alte Talentscout Briatore verfolgt mit Colapinto ganz klar das Ziel, die Schumacher- und Alonso-Erfolge ein drittes Mal zu wiederholen. Wieder mit dem Team aus Enstone, erneut mit französischem Kapital und Background möchte er Alpine in den kommenden Jahren an die Spitze führen. „Dem Team fehlte die Leidenschaft. Die haben wir jetzt wieder zurückgebracht.“ freut sich Briatore. Jetzt fehlt Alpine nur noch der Fahrer mit der gleichen Leidenschaft und dem nötigen Talent – und genau dafür steht Franco Colapinto.

F1-Photos by Lukas Gorys