Der traditionelle Antrieb hat eine Zukunft

Der traditionelle Antrieb hat eine Zukunft

Renault glaubt an Wahlfreiheit: „Wir verfolgen eine klare Zwei-Säulen-Strategie“

Wir sprachen mit Florian Kraft, CEO Renault Deutschland

DIE AUTOSEITEN: Herr Kraft, wie steht es um die Marke Renault in Deutschland?

Florian Kraft: Renault setzt die Produktoffensive fort, die wir vor rund drei Jahren gestartet haben. Ein wichtiger Meilenstein war die Einführung des neuen R5 vor etwa einem halben Jahr. Jetzt folgen der R4 sowie Facelifts für Austral und Espace, die unsere Modellpalette weiter modernisieren. Diese Aktualisierungen stärken unsere Präsenz im Markt. Was die Performance betrifft: Unser Marktanteil lag 2024 bei rund 2,3 Prozent – und bewegt sich auch in diesem Jahr bislang auf einem vergleichbaren Niveau. Das zeigt, dass wir trotz herausfordernder Rahmenbedingungen stabil aufgestellt sind.

DIE AUTOSEITEN im Gespräch mit Florian Kraft

DIE AUTOSEITEN: Jetzt ist nun leider die Elektromobilität auf dem deutschen Markt etwas in Stocken geraten. Inwiefern trifft dies Renault?

Florian Kraft: Die Lage ist differenzierter, als es auf den ersten Blick scheint. Die Zahlen der ersten Monate 2025 zeigen, dass der Elektroanteil am Gesamtmarkt wieder steigt – aktuell liegt er bei rund 19 Prozent. Fast jedes fünfte neu zugelassene Fahrzeug ist elektrisch. Bei Renault liegen wir sogar darüber, was sich auch in unserem Kaufvertragseingang widerspiegelt. Besonders gefragt sind der neue R5, der Mégane E-Tech, der Scenic E-Tech und der R4. Diese Modelle treffen den Nerv der Zeit – sowohl in puncto Design als auch bei Reichweite und Preis-Leistungs-Verhältnis.

DIE AUTOSEITEN: Renault setzt als Marke auf rein elektrische Fahrzeuge?

Florian Kraft: Wir verfolgen eine klare Zwei-Säulen-Strategie. Zum einen bieten wir Fahrzeuge mit Hybrid- oder Verbrennerantrieb an – etwa Clio, Captur, Austral, Espace, Symbioz und Rafale. Diese Modelle sind teils auch als Plug-in-Hybride erhältlich und bedienen Kunden, die Flexibilität beim Laden oder längere Reichweiten wünschen. Zum anderen bauen wir unser vollelektrisches Portfolio konsequent aus: Aktuell mit dem R5, Mégane E-Tech, Scenic E-Tech und dem neuen R4. 2026 kommt der elektrische Twingo hinzu, ein kompaktes Modell für den urbanen Raum. Wir sind überzeugt, dass Kunden mittelfristig beide Antriebsformen brauchen – je nach Lebensstil, Infrastruktur und Mobilitätsverhalten.

DIE AUTOSEITEN: Sie werden also auch in Zukunft weiterhin den traditionellen Antrieb anbieten, um dem Kunden die Freiheit zu geben, was er letztendlich fahren möchte?

Florian Kraft: Absolut. Wir glauben an Wahlfreiheit. Mit dem Rafale haben wir zuletzt ein modernes Verbrenner-Hybridmodell eingeführt, das sowohl technologisch als auch optisch überzeugt. Solche Fahrzeuge sind weiterhin gefragt – etwa bei Vielfahrern oder in ländlichen Regionen, wo die Ladeinfrastruktur noch nicht flächendeckend ausgebaut ist. Deshalb bleiben thermische Antriebe ein Bestandteil unseres Angebots.

DIE AUTOSEITEN: Renault ist auch im Nutzfahrzeugbereich aktiv. Wie ist hier der Stand?

Florian Kraft: Renault bietet eine umfassende Palette an leichten Nutzfahrzeugen – vom Kangoo über Trafic bis zum Master. Dazu kommen zahlreiche Umbauten wie Kipper, Doppelkabine oder individuelle Branchenlösungen. Wichtig ist: Alle Modelle sind inzwischen auch vollelektrisch verfügbar. Damit decken wir die Anforderungen von Handwerk, Logistik und urbaner Zustellung gleichermaßen ab. Ich spreche hier ausschließlich über Renault, nicht über Renault Trucks – das ist ein eigenständiger Bereich.

DIE AUTOSEITEN: Sie haben kürzlich ein kleines Nutzfahrzeug für den urbanen Bereich vorgestellt?

Florian Kraft: Ja, mit dem FlexEVan bringen wir einen neuen mittelgroßen Elektro-Van auf den Markt – den Nachfolger des Trafic E-Tech. Er basiert auf einer neuen Plattform, auf der gleichzeitig zwei weitere Modelle entstehen: der Estafette und der Goelette. Der Estafette ist ein begehbarer Van, bei dem der Fahrer direkt aus der Kabine in den Laderaum wechseln kann – wie man es etwa von UPS-Fahrzeugen kennt. Der Goelette ist eine Variante mit Boxaufbau, die an frühere Streetscooter erinnert. Alle drei Modelle teilen sich die technische Basis, unterscheiden sich aber in Aufbau und Nutzung. Der direkte Zugang spart bei jeder Lieferung Zeit – zwischen 10 und 30 Sekunden pro Stopp. Hochgerechnet auf hunderte Zustellungen pro Woche ergibt das ein echtes Effizienzplus – und macht den Fahrer zudem unabhängiger von Wetterbedingungen.

DIE AUTOSEITEN: Da kann die Kundschaft noch einiges von Renault zu erwarten. Wie wichtig ist für Sie denn das Nutzfahrzeuggeschäft auf dem deutschen Markt? Wird das in Zukunft wichtiger werden, als es war?

Florian Kraft: Das Nutzfahrzeuggeschäft ist für uns von zentraler Bedeutung. Auch wenn der Markt 2025 insgesamt etwas rückläufig ist, machen Nutzfahrzeuge regelmäßig 15 bis 20 Prozent unserer Auslieferungen aus – also etwa jedes fünfte Fahrzeug. Besonders für Geschäftskunden ist es entscheidend, dass wir ihnen ein vollständiges Angebot machen können: vom Elektrofahrzeug für die Flotte über gut ausgestattete C-SUVs für Führungskräfte bis hin zu maßgeschneiderten Nutzfahrzeugen. Dieser „One-Stop-Shop“-Ansatz stärkt nicht nur die Kundenbindung, sondern auch unser Händlernetz. Zudem sind Nutzfahrzeuge für Werkstätten wirtschaftlich attraktiv – sie fahren viele Kilometer, sind oft im harten Einsatz und bringen dadurch regelmäßig Servicebedarf mit sich.

Renault elektrifiziert seine Nutzfahrzeuge

DIE AUTOSEITEN: Stichwort Vertriebsnetz. Wird der klassische Händler bei Renault weiterhin eine Zukunft haben?

Florian Kraft: Ganz klar: Ja. Die Renault Gruppe hat sich früh und eindeutig zum klassischen Händlermodell bekannt. Unsere Fahrzeuge werden weiterhin von Vertriebspartnern gekauft und an Endkunden verkauft – im Gegensatz zum Agenturmodell, bei dem der Hersteller direkt verkauft und der Händler nur eine Provision erhält. Wir glauben an die Stärke und Nähe unseres Händlernetzes und sehen darin einen entscheidenden Erfolgsfaktor – gerade in einem wettbewerbsintensiven Markt wie Deutschland.

DIE AUTOSEITEN: Sehen Sie die Zukunft auf dem deutschen Markt für Ihr Unternehmen positiv oder denken Sie, dass es da die eine oder andere schwierige Hürde noch zu meistern gibt?

Florian Kraft: Beides trifft zu. Wir haben starke Perspektiven, aber auch große Herausforderungen. Der Wettbewerb ist intensiv – mit über 40 aktiven Marken, teils sogar 50, wenn man neue Anbieter einrechnet. Umso wichtiger ist unser starkes Team: 370 Mitarbeitende bei Renault Deutschland und Tausende im Händlernetz, die täglich dafür kämpfen, dass sich Kundinnen und Kunden für unsere Marken entscheiden. Wir haben gute Produkte, ein stabiles Netz und klare Strategien – aber es bleibt ein täglicher Wettbewerb, den wir mit Engagement und Überzeugung führen.

Der neue Clio

DIE AUTOSEITEN: Derzeit streben chinesische Wettbewerber verstärkt auf den deutschen Markt. Sind dies für Renault starke Wettbewerber oder wie schätzen Sie die Modelle aus China ein?

Florian Kraft: Wir nehmen die chinesischen Hersteller sehr ernst – allein schon, weil sie den Wettbewerb verschärfen. Einige Marken sind seit Jahren präsent, verkaufen aber bislang nur geringe Stückzahlen. Das zeigt, wie anspruchsvoll der deutsche Markt ist. Gleichzeitig bringen sie gute Produkte mit, keine Frage. Aber wir haben Stärken, die schwer zu kopieren sind: ein etabliertes Händlernetz, hohe Teileverfügbarkeit – mit rund 100.000 Ersatzteilen in unserem Lager in Brühl – und eine Logistik, die es erlaubt, bis 16 Uhr zu bestellen und am nächsten Morgen um 7 Uhr zu liefern. Diese Infrastruktur sorgt für hohe Kundenzufriedenheit, wie auch aktuelle Studien bestätigen. Deshalb sind wir überzeugt, dass wir gut aufgestellt sind, um auch künftig erfolgreich zu sein – trotz wachsender Konkurrenz.

Der R4 E-Tech Electric

DIE AUTOSEITEN: Herr Kraft, die Renault Group hat auch eine große Tradition im Motorsport. Die eine oder andere Marke aus Ihrem Portfolio nimmt dort auch Teil in Wettbewerben. Wie wichtig ist das für Sie? Ist es mehr als ein Marketingtool?

Florian Kraft: Motorsport ist für uns mehr als nur Marketing. Natürlich bietet er Sichtbarkeit und Imagepflege, aber er ist auch ein wichtiges Testfeld für Forschung und Entwicklung. Unsere Ingenieure können unter extremen Bedingungen neue Technologien erproben – etwa Motoren oder Bauteile – und daraus Erkenntnisse für die Serienproduktion gewinnen. Viele Innovationen, die im Motorsport entstehen, fließen später in unsere Fahrzeuge ein. Deshalb bleibt Motorsport für uns ein wertvoller Bestandteil unserer Entwicklungsstrategie.