Möglichst wenig traditioneller Vertrieb: Euronics verkauft und ATU wartet

Möglichst wenig traditioneller Vertrieb: Euronics verkauft und ATU wartet

Aiways, Anbieter von individuellen Mobilitätslösungen mit Sitz in Shanghai, bietet seinen batterie-elektrischen U5 in Deutschland an. Der Aiways U5 will als erstes E-Auto eines chinesischen Start-ups in Europa Fuß fassen.

Wir sprachen mit Dr. Alexander Klose, Geschäftsführer Aiways Deutschland und verantwortlich für das Auslandsgeschäft von Aiways

DIE AUTOSEITEN:

Herr Dr. Klose, Aiways, was verbirgt sich dahinter?

Dr. Alexander Klose:

Dahinter verbirgt sich ein chinesisches Start-up, das 2017 gegründet wurde, sich auf die Fahnen geschrieben hat, nur Elektrofahrzeuge herzustellen, und zwar Elektrofahrzeuge, die dann auch eben massenmarkttauglich sind und die nicht in Preiskategorien vorstoßen, die sich niemand mehr leisten kann. Und mit diesen Elektrofahrzeugen zunächst mal in China anzufangen, dann aber auch nach Europa und den USA zu gehen – ja ein Weltunternehmen für Elektrofahrzeuge aufzubauen.

DIE AUTOSEITEN:

Seit wann sind Sie auf dem europäischen Markt vertreten?

Dr. Alexander Klose:

Wir sind seit 2019 in Europa, eigentlich erst seit 2020 richtig auf dem Markt vertreten. Wir sind natürlich durch die Pandemie etwas gebremst worden. Aus verschiedenen Gründen, zum einen, weil natürlich die Produktion und die Entwicklung, Fertigentwicklung des Fahrzeuges nicht ganz so voranschreiten konnte, wie wir uns das gedacht hat. Und zum zweiten, weil wir als neue Marke natürlich auch erstmal zu unseren Kunden kommen müssen, das ist nicht ein Fahrzeug, das man einfach so kaufen würde, ohne es jemals gefahren zu sein. Und wenn man eine neue Marke ist, ist das dann etwas schwierig in Zeiten, wo Lockdown ist und wo niemand eine Testfahrt machen kann.

DIE AUTOSEITEN:

Eine neue Marke auf dem Automobilmarkt zu platzieren, ist schwierig. Elektromobilität ist die Zukunft. Was hat Sie, Herr Dr. Klose, persönlich bewogen zu Aiways zu gehen?

Dr. Alexander Klose:

Sagen wir mal so, vor sieben Jahren wäre ich noch davon überzeugt gewesen, dass Elektromobilität deutlich länger braucht, um sich durchzusetzen als wir jetzt sehen, dass es tatsächlich der Fall ist. Ich hätte damals, 2015, sicher mich nicht entschieden, zu dem Unternehmen zu gehen. Ich kannte die Gründer, die Investoren kannte ich vorher schon. Hatte mit denen auch schon gesprochen. Und es war genau zum richtigen Zeitpunkt, als ich dann gefragt wurde, 2018, ob das Fahrzeug eigentlich tauglich wäre für Europa. Nachdem ich das dann betrachtet habe, wurde ich dann eben gefragt, ob ich nicht auch mir vorstellen könnte, das Europageschäft beziehungsweise das Geschäft außerhalb von China zu verantworten. Dass ich dann mir gedacht habe:

„Ja, vielleicht ist es doch der richtige Zeitpunkt.“
DIE AUTOSEITEN:

Eine neue Marke zu platzieren, ist schwierig, ebenso ein Händlernetz aufzubauen. Wie gehen Sie vor? Gibt es ein Aiways-Händler?

Dr. Alexander Klose:

Sie sagen, eine neue Marke zu platzieren. Ich glaube, wir machen eigentlich ein bisschen was anderes. Wir platzieren, so wie die anderen großen Marken auch entstanden sind, nicht eine Marke, sondern wir platzieren zunächst mal das Produkt. Es gibt sicher Wettbewerber, die machen das etwas anders. Die haben sehr viel investiert in Marketing, Werbung, sind auf jeder Auto Show zu sehen. Das wäre eine Marke platzieren. Man hat eine klare Vorstellung von der Marke und versucht, das dann zu platzieren.

Wir haben dagegen eine Vorstellung, was unser Produkt sein soll. Wir haben eine Vorstellung, was wir mit dem Produkt eigentlich machen wollen. Wir wollen aber auch Feedback vom Kunden, wie das tatsächlich funktioniert und wie Kunden darauf anspringen. Und daraus entwickelt sich dann für uns die Marke. Das heißt, für uns steht wirklich das Produkt an erster Stelle. Und deshalb sind wir, glaube ich, auch diejenigen, die zunächst hierhergekommen sind.

Die nächste Frage:

„Was ist unser Vertriebsweg genau?“

Normalerweise entwickelt man einen großen Plan und der wird dann umgesetzt. Das ist etwas, was in einem stabilen Umfeld funktioniert. Im Umbruch, indem wir in der Automobilindustrie sind, ist das, glaube ich, nicht möglich. Und daher sind wir eigentlich auch anders vorgegangen. Das hat sicher auch was mit dem Start-up zu tun, es ist eher etwas, was sich organisch entwickelt. Wenn wir ein Konzern wären, hätten wir wahrscheinlich einen großen Plan gemacht. Der wäre abgesegnet worden und den würden wir dann jetzt umsetzen. Und würden wahrscheinlich in drei Jahren feststellen, dass er dann doch falsch gewesen ist.

Es ist unser Vorteil, dass wir uns anpassen können. Daher sind wir auch nicht so unterwegs, dass wir jetzt große Aiways-Center bauen, sondern dass wir versuchen herauszufinden, was denn der Vertrieb der Zukunft ist. Und möglichst wenig vom traditionellen Vertrieb aufbauen wollen und möglichst viel vom Vertrieb der Zukunft haben wollen. Ich persönlich bin überzeugt, dass viele Kunden auch in Zukunft Fahrzeuge erst mal fahren wollen. Ein Fahrzeug, ist ja das zweitgrößte Invest nach Haus oder Wohnung.

DIE AUTOSEITEN:

Ihre Kunden, wie kommt sie auf die Marke Aiways? Wo kann er sich das Auto anschauen, will er das oder will er das nicht? Sie sprechen von den Vertriebskonzepten, die bei einem rein elektrischen Auto und damit bei Aiways nicht mit den traditionellen zu vergleichen sind. Aber dennoch muss man ja an den Kunden kommen...

Dr. Alexander Klose:

Ganz interessante Frage, die wir uns auch am Anfang gestellt haben. Und wir waren verblüfft, als wir unsere ersten Runden von Testfahrten gemacht haben, auf welche Arten Menschen zu uns kommen. Heute wird wohl fast jeder, egal welchen Alters, zunächst mal ins Internet gehen. Wird wahrscheinlich eingeben: „Elektrofahrzeuge“. Und wird uns dann auf YouTube finden. Die ersten Kunden, die zu uns kamen, waren tatsächlich Leute, die gesagt haben:

„Ja, wir haben es im Internet gesehen. Wir haben einen guten Report gesehen auf YouTube. Wir wollen das Fahrzeug fahren.“

Dann, wie Sie sagen, braucht man schon die Möglichkeit des physischen Kontakts.

Und da haben wir uns eben entschlossen, in Deutschland mit Euronics zusammenzuarbeiten. Und damit eine nicht klassische Route einzuschlagen, aber trotzdem immer noch einen Händler zu haben, wo die Fahrzeuge betrachtet und dann auch Probe gefahren werden können. Euronics aus dem Grund, weil für uns das sozusagen das nächste war, was funktionieren könnte mit einem Elektrofahrzeug. Elektrofahrzeug ist für alle, die noch nicht dringesessen sind, eigentlich Neuland. Wir bekommen unter anderem Fragen: Wo kann ich das Fahrzeug laden? Das sind Fragen, die ein Elektronikhändler kompetent und verlässlich ebenso beantworten kann wie ein klassischer Automobilverkäufer.

Beim Elektroauto ist das unklar, was heißt das, dass das Fahrzeug 90 Kilowatt leistet. Was bedeutet das überhaupt? Das weiß keiner. Aber jeder weiß, was Normal-Benzin und was Super-Benzin ist. Wir dachten uns, dass es eigentlich sehr interessant wäre, es mal zu versuchen mit jemand, der sich mit Strom auskennt, der tatsächlich auch vorher schon Wallboxen, also die Ladegeräte verkauft hat. Und der das dann doch eigentlich besser erklären müsste. Da haben wir festgestellt, dass die natürlich auch nicht das tiefe Wissen haben und daher auch ein Training brauchen für Elektrofahrzeuge. Aber für uns funktioniert das eigentlich ganz gut. Es ist auch etwas, was überraschend ist und das wollten wir natürlich auch, dass wir nicht an der, ja, an einem sehr traditionellen Autohändler nur angeflanscht sind, sondern dass wir einfach auch neue Wege aufzeigen, wo man so ein Auto tatsächlich kaufen könnte oder wo man es einfach auch Probe fahren könnte.

DIE AUTOSEITEN:

Wie sieht derweil Ihr Produktportfolio aus? Kann sich der Kunde bei Euronics das Auto anschauen, sich reinsetzen, erklären lassen? Hat jeder Euronics-Händler ein Fahrzeug vor Ort?

Dr. Alexander Klose:

Ja, also jeder Euronics-Händler hat unsere gesamte Produktpalette vor Ort. Aber das ist auch relativ einfach, weil wir nämlich nur ein Produkt haben. Das erste heißt U5, ist mehr ein klassisches Familien-SUV. Wir werden aber dieses Jahr noch ein zweites Produkt einführen, den U6, der ist dann eher im Coupé-Styling. Und diese beiden Fahrzeuge werden auch bei jedem der Euronics-Händler, die mit uns zusammenarbeiten, stehen. Das sind ungefähr fünfzig, damit decken wir eigentlich ganz Deutschland ab.

DIE AUTOSEITEN:

Jetzt kann es aber mal vorkommen, dass irgendwie ein technischer Defekt am Fahrzeug auftritt. Arbeiten Sie mit Werkstätten zusammen oder kann dies der Euronics-Händler?

Dr. Alexander Klose:

Nein, der Euronics-Händler kann natürlich nicht alles machen. Da arbeiten wir mit der ATU in Deutschland zusammen. Hier war die Überlegung die, dass wir nicht den klassischen Weg angehen wollen. Unser Fahrzeug hat ein Wartungsintervall von hunderttausend Kilometern. Nach fünf bis sieben Jahren würden wir gerne das Auto mal anschauen. Es gibt dann eigentlich auch nicht viel zu tun am Fahrzeug. Es gibt nur einige Flüssigkeiten, Bremsflüssigkeit zum Beispiel, die man überprüfen muss. Aber bis dahin passiert nichts groß mit dem Fahrzeug. Es ist ein Elektromotor, da gibt es keinen Verbrennungsprozess sondern ganz einfach elektrische Kräfte, die wirken. Und dadurch ist das Fahrzeug natürlich viel wartungsärmer. Der Service bei ATU funktioniert sehr gut und wir haben keine Probleme.

DIE AUTOSEITEN:

Welchen Stellenwert innerhalb Europas hat der deutsche Markt für Aiways?

Dr. Alexander Klose:

Für Aiways hat eigentlich der Markt immer den größten Stellenwert, der gerade am meisten batterieelektrische Fahrzeuge nachfragt. Sicherlich wollen wir im deutschen Markt erfolgreich sein, aber wir sehen für jemand, der nur batterieelektrische Fahrzeuge anbietet, ist es natürlich wichtig, nicht unbedingt nur in dem größten Markt, der vielleicht einen kleineren Anteil von diesen Fahrzeugen gerade nachfragt, erfolgreich zu sein, sondern auch in einem kleinen Markt, der schon sehr viel stärker in diese Richtung gegangen ist. Wir sind sehr aktiv in Israel und in Dänemark, zwei viel kleinere Märkte, die aber zurzeit sehr große Nachfrage nach unseren Fahrzeugen haben. Und daher auch gemeinsam für uns ungefähr gerade den gleichen Stellenwert haben wie Deutschland. Der deutsche Markt ist natürlich wichtig, aber wir müssen auch nicht unbedingt nur dort gewinnen, wo die Konkurrenz jetzt am stärksten ist, sondern wir wollen überall da sein, wo batterieelektrische Fahrzeuge nachgefragt sind.

DIE AUTOSEITEN:

Der Schlüssel zur E-Mobilität ist für den Kunden die Ladeinfrastruktur. Was können Sie bieten, gibt es spezielle Angebote?

Dr. Alexander Klose:

Die Ladeinfrastruktur ist in der Zwischenzeit in Zentral-Europa so gut, dass ich eigentlich überall hinkomme, überall laden kann. Ich brauche nur eine zuverlässige Leitung an die jeweilige Ladestation, die für mich auf meiner Route am besten funktioniert. Wir haben deswegen eine App in das Fahrzeug integriert. Diese nennt sich PUMP. Wir kooperieren mit dieser App, die von Experten beurteilt wird, jetzt schon zu den besten zu gehören. PUMP bekommt Daten vom Fahrzeug und berechnet dann die optimale Route. Und das ist, glaube ich, in der Zwischenzeit das wichtige, das man dies hat und nicht irgendwie eine eigene Lade-Infrastruktur aufbaut. Weil, wer auch immer jetzt eine eigene Ladeinfrastruktur aufbauen würde, ist immer schlechter, als was eigentlich jetzt schon vorhanden ist.